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Mit neuen Gesichtern und erfahrenen Athleten reist das deutsche Team zu den Bahnrad-Weltmeisterschaften ins kanadische Milton – Kampf um Medaillen und Paralympics-Startplätze

Maike Hausberger präsentiert lächelnd ihr Goldmedaille | Foto: Oliver Kremer / sports.pixolli.com Mit einem neunköpfigen Aufgebot fliegt das deutsche Para Radsport-Nationalteam zu den Bahnrad-Weltmeisterschaften nach Milton (Kanada). Die Wettkämpfe, die vom 30. Januar bis zum 2. Februar stattfinden, haben für die sieben Athleten und zwei Piloten im Jahr der Paralympics eine besonders große Bedeutung. „Das Ziel sind Medaillen, aber darüber hinaus geht es vor allem um wichtige Punkte und Plätze für die Spiele in Tokio“, sagt Bundestrainer Tobias Bachsteffel. Das deutsche Team verfügt dabei über eine gute Mischung: Zum einen besteht es aus erfahrenen Sportlern, zum anderen aus vielversprechenden neuen Gesichtern.

Maike Hausberger ist eines dieser neuen Gesichter in der Nationalmannschaft. Dabei setzte die 25-Jährige im September 2019 direkt ein großes Ausrufezeichen: Erst vor knapp zwei Jahren zum Para Radsport gekommen, feierte sie vergangenes Jahr ihren ersten großen Erfolg – Gold im Straßenrennen bei den Weltmeisterschaften im niederländischen Emmen. Doch die Bahnrad-WM ist auch für die zweimalige Paralympics-Teilnehmerin Neuland. Entsprechend bescheiden gibt sich Hausberger vor den Wettkämpfen: „Ich kann nicht viel erwarten. Natürlich liebäugelt man mit einer Medaille, aber ich muss sehen, was tatsächlich möglich ist.“ Auch der Bundestrainer stellt keine zu großen Erwartungen an seine Athletin. „Sie soll Erfahrungen sammeln und die Atmosphäre genießen.“ Die Konkurrenz in der Startklasse C2 sei schwer einzuschätzen, erklärt Bachsteffel. An einem guten Tag traue er ihr dennoch einen Podestplatz zu.

Maike Hausberger: Von der Para Leichtathletik über Para Triathlon zum Para Radsport

Trotz ihres jungen Alters träumt Hausberger, die seit ihrer Geburt halbseitig gelähmt ist, von ihrer dritten Paralympics-Teilnahme. Bereits mit 17 Jahren startete sie zum ersten Mal bei den Spielen in London. Das respektable Ergebnis: ein fünfter Platz im Weitsprung. Doch aufgrund ihrer Halbseitenlähmung hatte sie immer wieder mit Verletzungen an ihrem linken Sprunggelenk zu kämpfen. Die Paralympics in Rio waren zwar noch möglich, allerdings rieten ihr die Ärzte aufgrund der hohen Belastung für den Fuß zu einer anderen Sportart. „Das war einfacher gesagt als getan“, beschreibt Hausberger rückblickend. Der Weg führte sie zum Para Triathlon. Dort fand sie – so schien es zumindest – die für sich passende Sportart. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase feierte die Triererin, die für den BPRSV Cottbus startet, einen Vize-EM-Titel sowie einen dritten Platz bei der WM 2017.

Zwei Jahre vor den Paralympics in Tokio dann die schockierende Nachricht: ihre Wettkampfklasse ist nicht Teil des paralympischen Programms. „Da habe ich mir wirklich überlegt, ob ich überhaupt noch weitermachen möchte“, sagt die 25-Jährige und ergänzt: „Der Fokus ging eigentlich schon auf den Beruf.“ Daraufhin habe sie erst einmal zwei Monate überhaupt keinen Sport gemacht. Doch Hausberger merkte schnell, dass ihr die Bewegung und der Wettkampf fehlten, um sich mit anderen zu messen. Also überlegte sie gemeinsam mit ihrem damaligen Trainer Ralf Paulo, welche Sportart stattdessen für sie in Frage kommen könnte. Am Ende fiel die Wahl auf Para Radsport. Der Umstieg sei ihr nicht so schwergefallen: „Ich war immer schon eher der Ausdauertyp“, sagt Hausberger und fügt hinzu: „In der Leichtathletik konnte ich immer nur bis maximal 400 Meter laufen.“ Jetzt habe sie endlich die Möglichkeit, ihre Leidenschaft auszuleben. Ihren Kampfgeist und ihr Durchhaltevermögen hat sie schon häufig genug bewiesen. Nicht zuletzt beim überraschenden Vorjahressieg bei der WM im Straßenrennen. Ein ähnlicher Erfolg auf der Bahn und Maike Hausberger könnte wohl schon sicher das Tokio-Ticket buchen.

Rückkehrerin Raphaela Eggert träumt von einer Medaille

Auch Raphaela Eggert gehört zur Fraktion der jungen Wilden der Para Radsport-Nationalmannschaft. Nachdem die 27-jährige Athletin vom PTSV Jahn Freiburg schon erste Erfolge auf der Straße gefeiert hatte und 2017 WM-Silber im Zeitfahren gewann, gibt sie jetzt ihr Debüt bei einer Bahnrad-WM. Trotzdem hofft sie auf Edelmetall: „Ich träume schon so ein kleines bisschen von einer Medaille in der Verfolgung über 3000 Meter“, sagt Eggert. Dabei war der Leistungssport noch vor wenigen Monaten in weite Ferne gerückt. 2018 ist sie an den Spätfolgen eines Hirntumors, den sie im Alter von fünf Jahren hatte, an Epilepsie erkrankt. Radfahren sei zu dieser Zeit nicht möglich gewesen, weshalb sie sich vom aktiven Leistungssport zunächst zurückgezogen hatte. Doch Aufgeben kam für Raphaela nicht in Frage. Sobald sie grünes Licht der Ärzte bekommen hatte, nahm sie das Training wieder auf: „Radfahren macht mir unglaublich viel Spaß. Mir hat einfach der Wettkampf gefehlt“, erklärt die 27-Jährige kämpferisch.

Mittlerweile hat die Augsburgerin gelernt, mit der neuen Situation umzugehen. Es komme für sie vor allem auf das Vertrauen in ihren eigenen Körper an: „Ich habe mental wieder die Stärke, Rennen zu fahren. Ich weiß nie, wann der nächste Anfall kommt. Das darf nicht passieren“, erklärt sie. Um für einen solchen Fall vorbereitet zu sein, trifft sie verschiedene Vorsichtsmaßnahmen. So versucht Raphaela Eggert, nach Möglichkeit nicht alleine zu trainieren. Alternativ taucht sie auf einem Rollentrainer in eine virtuelle Welt ab, in der sie ihr Trainingsprogramm genau einstellen könne, beschreibt die 27-Jährige. Neben dem Sport hilft ihr vor allem ihre Arbeit. Ihr anspruchsvoller Job als technische Zeichnerin habe dazu geführt, dass sie optimistischer und selbstbewusster geworden sei. „Das spiegelt sich auch im Sport wider“, sagt sie. Dabei zählt Eggert zu den wenigen Athletinnen, die neben dem Leistungssport einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen. Für die Bahnrad-WM in Kanada habe sie das Glück, dass ihr Arbeitgeber ihr frei gibt. Und wenn es gut läuft, darf sich Raphaela Eggert durchaus auch Hoffnungen auf eine Teilnahme bei den Paralympics in Tokio machen. Es wäre ihre Premiere.

Medaillenchancen für die „alten Hasen“ im Team

Auch die erfahrenen Para Radsportler im deutschen Team, das durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gefördert wird, werden wieder ein Wörtchen mitreden wollen, wenn es um Medaillen und wichtige Punkte für Tokio geht. Allen voran Denise Schindler, die in ihrer Paradedisziplin, der 3000-Meter-Verfolgung, voll angreifen und versuchen wird, ihren WM-Coup von 2018 zu wiederholen. Die härteste Konkurrentin werde sicherlich Vorjahressiegerin Paige Greco (Australien) sein, sagt Bundestrainer Tobias Bachsteffel und hofft diesmal auf das bessere Ende für Schindler, die allerdings mit einer Kniekehlen-Entzündung antritt und auf die Zähne beißen muss. In der Startklasse C1 gehen mit Pierre Senska und Erich Winkler gleich zwei aussichtsreiche Kandidaten an den Start. Beide dürfen sich berechtigte Hoffnungen auf einen der vorderen Plätze in der 3000-Meter-Verfolgung machen. Sie profitieren von der großen Konkurrenz innerhalb des eigenen Teams. „Das hohe Trainingsniveau und der Wettbewerb innerhalb der Mannschaft pusht die Sportler zu Höchstleistungen“, sagt Bachsteffel.

Dem Tandem mit Kai Kruse und Pilot Robert Förstemann traut der Bundestrainer insbesondere bei den Sprintdisziplinen gute Chancen auf einen Podestplatz zu. „Die beiden haben sich in den letzten Monaten immer besser als Team gefunden. Vor allem Förstemann fordert als ehemaliger Olympia-Teilnehmer viel von seinem Kollegen und bringt Kai Kruse immer wieder ans Limit.“ Das Duo bestehend aus dem ehemaligen Para Ruderer und dem Olympiadritten im Teamsprint in London 2012 landete bei der Bahnrad-WM 2019 auf dem siebten Platz und arbeitet hart, um sich den Traum von der Paralympics-Qualifikation in Tokio zu erfüllen. Dass die Form stimmt, bewiesen die beiden kurz vor dem Abflug nach Kanada: Bei den Sixdays im Berliner Velodrom stellten Kruse und Förstemann über 100 Meter in 1:01,63 Minuten einen deutschen Rekord auf.

Generell zeigt sich Bundestrainer Tobias Bachsteffel mit Blick auf die Leistung und die Entwicklung des deutschen Teams zuversichtlich. „Die jungen Sportler integrieren sich gut in die Mannschaft und entwickeln sich hervorragend. Doch letztlich ist es auf der Bahn auch immer ein bisschen Glückssache. Eine Zehntelsekunde kann über eine Medaille oder den undankbaren vierten Platz entscheiden“, betont Bachsteffel. Und das kann auch Folgen für die Paralympics haben. Denn neben dem Rennen um Medaillen kämpfen die deutschen Para Radsportler auch untereinander um die besten Argumente und die wenigen Startplätze für die Spiele in Tokio.

Das deutsche Aufgebot für die Bahnrad-WM in Milton (Kanada):
Jessica Dietz (25 Jahre / Kronach / BPRSV Cottbus), Maxie Rathmann (Pilotin / 25 Jahre / Berlin / BPRSV Cottbus), Raphaela Eggert (27 Jahre / Augsburg / PTSV Jahn Freiburg), Maike Hausberger (25 Jahre / Trier / BPRSV Cottbus), Kai Kruse (28 Jahre / Hamburg / Schweriner SC), Robert Förstemann (Pilot / 33 Jahre / Greiz / SSV Gera), Denise Schindler (34 Jahre / Karl-Marx-Stadt / BPRSV Cottbus), Pierre Senska (31 Jahre / Berlin / BPRSV Cottbus), Erich Winkler (51 Jahre / Neumarkt St. Veit / TV Geisenhausen).

Weitere Informationen zu den Weltmeisterschaften gibt es auf der Veranstaltungs-Homepage.

Text: Marcel Wienands

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