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Para Badminton-EM: Thomas Wandschneider ist ein Kämpfer auf und neben dem Spielfeld – Für seinen Paralympics-Traum geht es bei der EM neben Medaillen vor allem um Punkte für die Qualifikation

Foto: picture alliance / DBSFrechen, 26. Oktober 2018. Eigentlich wollte Thomas Wandschneider seine internationale Karriere schon vor ein paar Jahren beenden. Unzählige Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften hatte er gewonnen, alles erreicht. Doch dann kam die Entscheidung, die seine Rücktrittsgedanken sofort beendete: Para Badminton wird 2020 in Tokio erstmals zum Programm der Paralympics gehören. Und plötzlich hat Thomas Wandschneider wieder ein großes Ziel vor Augen, verspürt neue Motivation und Antrieb. Schon bei den Europameisterschaften im französischen Rodez vom 30. Oktober bis 4. November geht es um wichtige Punkte für die Paralympics-Qualifikation – und um Medaillen.

25 Edelmetalle hat Thomas Wandschneider bei Welt- und Europameisterschaften bisher gesammelt, viermal wurde er Welt- und zwölfmal Europameister. Doch ein Ziel überstrahlt alles: die Teilnahme an den Paralympics. „Ich hatte eigentlich schon ans Aufhören gedacht, zumindest mit Blick auf den Leistungssport. Eine mögliche Aufnahme von Para Badminton ins Paralympics-Programm wurde immer weiter verschoben, ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben und nicht mehr daran geglaubt, dass es während meiner aktiven Karriere noch klappt“, sagt der 54-Jährige. Doch das Internationale Paralympische Komitee gab grünes Licht für Tokio 2020. „Das hat mir neuen Antrieb gegeben. Die Spiele sind meine große Motivation. Deswegen sind für mich bei der EM die Punkte für die Paralympics auch wichtiger als die Medaillen“, betont Wandschneider, der dem Top Team des Deutschen Behindertensportverbands angehört.

Ein neuer Rollstuhl soll ihn in Tokio auf dem Spielfeld noch flinker machen

Doch weil es für Platz eins nicht nur Gold sondern auch die meisten Punkte gibt, ist sein Ziel klar: Titelverteidigung. Bei der EM 2016 schnappte sich der Rollstuhlfahrer aus dem niedersächsischen Lindhorst den ersten Platz im Einzel und auch im Doppel. Zurückgelehnt hat er sich trotz der Vielzahl an Erfolgen nicht – im Gegenteil. „Ich kann noch mehr aus mir herausholen und mich auch in meinem Alter weiter verbessern“, sagt Wandschneider. Damit er auf dem Spielfeld noch flinker wird, will er sich einen neuen Rollstuhl anfertigen lassen, der sein 14 Jahre altes Sportgerät ab Anfang 2019 ersetzen soll – für den Paralympics-Traum werden alle Möglichkeiten ausgeschöpft.

Vor einigen Jahren war Thomas Wandschneider derjenige, den es zu schlagen galt in der Startklasse WH1. Inzwischen hat ein Rollentausch stattgefunden, der 54-Jährige wurde vom Gejagten zum Jäger. Im Para Badminton dominieren die Asiaten, vor allem die Koreaner und nun auch die Chinesen. „Sie sind unglaublich stark, haben aber auch ganz andere Möglichkeiten“, erklärt Wandschneider. Aufgrund seiner Größe und der damit verbundenen Reichweite sei er damals schwer zu knacken gewesen. „Dann haben sie die eine Hälfte des Spielfelds angehoben und getestet, wie sie mich überspielen können. Sie haben versucht, im Training Spiele gegen mich zu simulieren, um mich zu besiegen.“

Wohl der einzige Europäer, der die Asiaten noch bezwingen kann

Meist haben die Koreaner inzwischen die Nase vorn, bei der WM 2017 unterlag Wandschneider im Halbfinale auch erstmals einem jungen Chinesen. Und dennoch: „Ich bin eigentlich der einzige Europäer, der die Asiaten noch bezwingen könnte“, sagt er. Darüber hinaus reizt ihn noch etwas anderes. Thomas Wandschneider möchte nur zu gerne der erste Deutsche sein, der bei Olympischen oder Paralympischen Spielen eine Badminton-Medaille gewinnt. „Das wäre dann etwas Historisches. Vielleicht gelingt es mir ja tatsächlich mit der Unterstützung der Verbände sowie von unserem Cheftrainer Christopher Skrzeba und Landestrainer Jens Janisch“, sagt der Athlet des VfL Grasdorf und fügt realistisch an: „Wenn ich es jetzt nicht packe, ist der Zug abgefahren.“ Einerseits wird der vierfache Familienvater nicht jünger, andererseits wird Para Badminton immer professioneller und die Konkurrenz, besonders aus Asien, immer übermächtiger.

Doch der Ehrgeiz ist groß, Thomas Wandschneider ist ein Kämpfer – auf und neben dem Spielfeld. Ein Unfall im Mai 2000 veränderte sein Leben. Er stand mit seinem Auto an einer roten Ampel, ehe ein Müllfahrzeug von hinten mit Wucht auffuhr. Die Diagnose: Querschnittlähmung. „Im Krankenhaus wurde mir damals eine Lebenserwartung von noch drei bis fünf Jahren prognostiziert. Ich wusste: Entweder gebe ich auf und werde nicht alt oder ich kämpfe und arbeite sehr hart an mir“, sagt Wandschneider. Er entschied sich für den zweiten Weg – und träumt 18 Jahre nach seinem Unfall von den Paralympics.

Zum Para Badminton kam er über einen Bekannten aus der Klinik. „Ich habe es ausprobiert. Es hat mir direkt viel Spaß gemacht und wir waren eine tolle Truppe“, sagt der Niedersachse. Bereits 2001 feierte er sein WM-Debüt, bei der WM 2005 sogar Doppel-Gold. Zahlreiche weitere Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften folgten.

„Beim Sport rückt die Behinderung völlig in den Hintergrund“

„Der Sport gibt mir unglaublich viel, das tut mir einfach gut und motiviert mich. Auch wenn ich mal gegen einen Fußgänger spiele und ihn schön über das Feld scheuche“, sagt Wandschneider schmunzelnd und ergänzt: „Dann bekommst du gar nicht mehr mit, dass du überhaupt eine Behinderung hast. Das rückt völlig in den Hintergrund.“

Problematischer ist da eher der Faktor Zeit. Wandschneider arbeitet neben dem Training selbstständig in der Tourismusbranche und vermietet Ferienhäuser in Spanien an der Costa Blanca. Die Objekte hat er vor einigen Jahren gekauft und sie sind kernsaniert worden. „Seitdem sind alle Häuser rollstuhlgerecht und in schöner Lage am Meer. Doch in Kombination mit dem Leistungssport und der immer größeren Professionalisierung ist die Organisation rund um die Häuser nicht einfach. Ich bräuchte eigentlich mehr Freiräume für das Training“, erklärt der 54-Jährige, der nicht selten noch nach den Einheiten am Abend bis in die Nacht am Computer arbeitet.

2019 steht ihm dann ein Jahr voller Reisen bevor. „Ich muss für die Paralympics-Rangliste viele internationale Turniere spielen und werde sehr viel unterwegs sein.“ Alles für das große Ziel. Und eines ist sicher: An seiner Einstellung wird es nicht scheitern. „Mein Leben hat mich sehr geprägt und mir den Biss gegeben, durchzuhalten und mich immer wieder durchzukämpfen“, sagt Thomas Wandschneider. Attribute, die ihm auch auf dem Weg zum Paralympics-Traum helfen werden.

Para Badminton-EM: Optimistisch nach Rodez

Mit Optimismus tritt die deutsche Para Badminton-Nationalmannschaft ihre Reise ins französische Rodez an, wo ab dem 30. Oktober 2018 die Europameisterschaften stattfinden. Gestärkt durch eine gute Vorbereitung und eine erfolgreiche Generalprobe hofft Cheftrainer Christopher Skrzeba, dass sein elfköpfiges Team in den Kampf um Medaillen eingreifen wird.

Christopher Skrzeba, seit Februar 2018 Cheftrainer, ist vor dem anstehenden Jahreshöhepunkt durchaus zuversichtlich: „Ich traue grundsätzlich jedem meiner Athleten ein gutes Turnier zu.“ Die Mannschaft befinde sich insgesamt auf einem guten Weg, um sich dauerhaft in der Weltspitze zu etablieren. Er spüre großen Ehrgeiz innerhalb des Teams, so dass es gelungen sei, das Trainingspensum zu steigern und sich weiter zu professionalisieren.

Genährt wurden die Medaillenhoffnungen für die EM durch ein gutes Vorbereitungsturnier in Dänemark, bei dem die deutsche Mannschaft sowohl in den Einzel- als auch in den Doppelwettkämpfen viele vordere Platzierungen erreichte. Ganz nach oben aufs Treppchen schafften es Thomas Wandschneider und Valeska Knoblauch im Einzel der Wettkampfklasse WH1 sowie Jan-Niklas Pott mit seinem schwedischen Mitspieler Rickard Nilsson im Doppel der Wettkampfklasse SL4. Valeska Knoblauch stellte auch im Doppel jeweils gemeinsam mit Elke Rongen und mit Young-Chin Mi im Mixed ihre Qualitäten unter Beweis und holte zwei zweite Plätze. Das Doppel von Youngster Nils Böning und Tim Haller landete in der Wettkampfklasse SL4 ebenso auf Rang drei wie Young-Chin Mi, Marcel Adam und Tim Haller im Einzel.

In Dänemark zeigte das Team bereits seine hohe Qualität innerhalb der Wettkampfklassen. Zum Selbstläufer werden Medaillengewinne bei einer EM jedoch nicht. „Unser Ziel ist es, zum Jahreshöhepunkt möglichst unsere beste Leistung abzurufen. Für junge Athleten wie Nils Böning geht es auch darum, Erfahrungen auf großer Bühne zu sammeln“, erklärt Christopher Skrzeba. Die deutsche Mannschaft ist mit Marcel Adam, Nils Böning, Tim Haller, Jan-Niklas Pott und Katrin Seibert in der Startklasse SL4 sowie mit Valeska Knoblauch, Young-Chin Mi, Elke Rongen und Thomas Wandschneider in der WH1 vertreten, zudem starten Rick Cornell Hellmann in der WH2 und Pascal Wolter in der SL3.

Am 29. Oktober reist das Team von Frankfurt aus ins EM-Quartier nach Frankreich, dann wird es vom 30. Oktober bis zum 4. November auf dem Spielfeld ernst. Und ohne Medaillen im Gepäck will die deutsche Nationalmannschaft die Heimreise nicht antreten.

Alle Informationen gibt es unter: https://corporate.bwfbadminton.com/para-badminton/calendar/

Das deutsche EM-Aufgebot 2018:

Marcel Adam (23, Gronau, MTV Harsum), Nils Böning (19, St. Ingbert, 1.BC Saarbrücken Bischmisheim), Tim Haller (23, Ludwigsburg, BSV Buxtehude), Rick Cornell Hellmann (30, Berlin, RSC Berlin), Valeska Knoblauch (28, Köln, RBG Dortmund), Young-Chin Mi (39, Dortmund, 1. BC Dortmund), Jan-Niklas Pott (24, Hannover, VfL Grasdorf), Elke Rongen (48, Waldfeucht, BSG Aachen), Katrin Seibert (48, Dortmund, 1. BC Dortmund), Thomas Wandschneider (54, Lindhorst, VfL Grasdorf), Pascal Wolter (43, Ratingen, OSC Düsseldorf).

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