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rund 15 Jahren hat Hans-Peter Durst (64) seine aktive Karriere im Para Radsport beendet. Der Dortmunder ist einer der erfolgreichsten Athleten mit dem Dreirad. Ein Sportler, der die Aufmerksamkeit genutzt hat, um Werte wie Inklusion und Teilhabe zu vermitteln.

Der Start erfolgt in wenigen Sekunden. Hans-Peter Durst hat das Teilnehmerfeld im Rücken. Er steht in der ersten Startreihe, freihändig auf dem eigenen Dreirad, das vordere Laufrad leicht nach links gedreht. Durst betet. Für ein spannendes und unfallfreies Rennen aller Beteiligten. Es ist das Ritual des 64 Jahre alten Para Radsportlers aus Dortmund, das in der internationalen Szene so bekannt ist wie er selbst. Nach rund 15 Jahren tritt er nun als einer der erfolgreichsten Athleten ab. Dursts Karriere ist geprägt von sportlichen Höhepunkten – und klaren Worten.

Zwei Goldmedaillen und einmal Silber bei Paralympischen Spielen, 20-maliger deutscher Meister und neunfacher Weltmeister auf dem Dreirad: All diese Bestmarken zu erreichen, sei nie sein Ziel gewesen, sagt Durst. Sie waren eher sein Antrieb: „Die Erfolge waren eine Motivation, mich weiterzuentwickeln. Ich war immer gut darin, mich auf das zu fokussieren, was ich will.“ Das bewies er unter anderem beim Zeitfahren 2016 in Rio, als er nach wenigen Hundert Metern mit gebrochener Sattelstange weiterfahren musste, aber trotzdem Paralympics-Gold holte. Durst ist dankbar und stolz auf eine Karriere, die erst durch einen Wendepunkt in seinem Leben möglich wurde.

1994 war Durst auf dem Weg zur Arbeit, als er einen schweren Autounfall hatte. Es folgten Koma, Klinikaufenthalte und Reha. Es blieben Einschränkungen der Bewegungs- und Sehfähigkeit, eine Gleichgewichtsstörung, eine Epilepsie – und zunächst die Frage: Was jetzt? „Mein Leben war sehr erfüllt, aber es gab keinen Weg zurück dorthin“, sagt Durst, der damals in leitender Funktion in einer Brauerei tätig war, zudem Ehemann und zweifacher Vater. Weil Mobilität und Sport Teile seines Lebens bleiben sollten, stieg er auf ein Reha-Dreirad, 1997 dann erstmals auf ein Alltags-Dreirad. Zunächst widerwillig und mit Scham, fuhr er es bald auch öffentlich mit Begeisterung. Durst bezeichnet sich als gläubig. Einen Schuldigen habe er nie gesucht. „Der Unfall hat mir eine neue Perspektive und damit ein zweites Leben gegeben“, sagt der Dortmunder.

Im neuen Leben folgten viele erste Male: der erste Wettkampf, das erste Trainingslager, erste Weltcups und Gespräche mit professionellen Materialherstellern. Eine Initialzündung war die Haarstrang Radtouristikfahrt 1999 im Ruhrgebiet. Die nennt Durst auch heute noch als sportliches Highlight – obwohl er Paralympische Spiele, Weltmeisterschaften und Weltcups in aller Welt erleben durfte. Nach 156 Kilometern mit zahlreichen Höhenmetern erreichte Durst das Ziel zwar so spät, dass einzig noch Ehefrau Ulrike auf ihn gewartet hatte. „Dieser Tag hat mir aber das Gefühl gegeben, dass ich etwas geschafft habe“, erklärt Durst. Das Dreiradfahren wurde zur Leidenschaft. 2007, bei der alljährlich in Deutschland ausgetragenen Benefiz-Radsportveranstaltung „Tour der Hoffnung", wurde er als Talent von seinem späteren Trainer und Weggefährten Hermann Frey entdeckt.

Durst kam in den A-Kader der Para Radsport-Nationalmannschaft. 2011 gewann er in Dänemark seine erste WM-Medaille, 2014 in den USA wurde er Straßen-Weltmeister, obwohl ihm Straßenrennen zunächst wegen der eingeschränkten Sehfähigkeit überhaupt nicht lagen. Während die Dreiräder professioneller wurden, Bundestrainer sowie zahlreiche Teamkollegen kamen und gingen, blieb Durst. Durch seine Titel bei Paralympics, Welt- und Europameisterschaften wurde er in Dortmund dreimal zum Sportler des Jahres gewählt – nominiert mit Konkurrenz, die nicht im Para Sport antritt.

Gleichwertig, gleichberechtigt, inklusiv – drei Worte, die Durst häufig nutzt und für die er offen streitet. Zudem gilt der gebürtige Allgäuer als Netzwerker. 2021 sagt Durst seine Teilnahme an den Paralympics in Tokio ab. Der Corona-Ausnahmezustand in Japan und die gesellschaftspolitische Situation insgesamt nennt er als Gründe und bereut auch rückblickend nichts. Dadurch blieb es bei zwei Paralympics-Teilnahmen in London 2012 und Rio 2016.

Rund 15 Jahre Para Radsport auf höchstem Niveau liegen hinter ihm. Die Trainingsmischung zwischen Ausdauer und Tempo, Technik und Regeneration hatten es ihm ermöglicht, bis ins hohe Sportalter um Titel mitzufahren. EM-Bronze gewann er jüngst noch im Zeitfahren bei den Wettkämpfen in Oberösterreich. Nun ist Schluss, Hans-Peter Durst hat das Ziel erreicht. Sein letztes Rennen bestritt er an Pfingsten bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften im Rahmen der Cologne Classics. In Köln waren Podium und Platz zwei der krönende Abschluss. „Gerne werde ich meine Erfahrungen in Sachen Radsport, Dreiradsport und Inklusion weitergeben, wenn ich gefragt werde“, sagt Durst. „Mein Leben und der Sport haben mir oft gezeigt, dass im Leben alles möglich ist.“

Den Trainerschein beim Radsportverband NRW hat er bereits gemacht. Als Inklusionsbeauftragter der Stadt Dortmund, für seine Stiftung „savemybrain“ oder als Botschafter für die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung bleibt er ohnehin aktiv. An erster Stelle steht für Durst ab jetzt allerdings die Familie: Er wird Großvater, will mehr Zeit mit seiner Ehefrau verbringen, die ihn jahrelang zu Wettkämpfen gefahren und unterstützt hat. Und natürlich wird Hans-Peter Durst auch künftig ab und zu für den Rad- und Motorclub „Sturm“ Hombruch auf das Dreirad steigen – aus Freude an der Bewegung, aber ohne Leistungsdruck.

Quelle: Jessica Balleer

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