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Sie sind Pioniere und sollen für mehr Nachwuchs sowie bessere Strukturen in paralympischen Sportarten sorgen: Seit etwa einem Jahr sind Marcel Wienands (30) und Benedikt Staubitzer (31; genannt „Staubi“) in der Abteilung Leistungssport des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) tätig. Während Wienands sich rund um den Leistungssport für sehbehinderte und blinde Menschen engagiert, liegt Staubitzers Fokus auf der Weiterentwicklung des paralympischen Schneesports in Deutschland. Über ihren Weg zum DBS, ihre Aufgaben, Ziele und Wünsche sprach Bjarne Duckert mit dem Duo im Doppel-Interview.

Ihr besetzt beim DBS zwei Projektstellen, die es zuvor noch nicht gegeben hat und leistet gewissermaßen Pionierarbeit. Wie lief der bisherige Arbeitstag für euch?

Marcel Wienands: Um die wichtige Netzwerkarbeit voranzutreiben, hatte ich heute Vormittag Kontakt mit der Bundesvereinigung Eltern blinder und sehbehinderter Kinder und mit einer Blindenschule in Baden-Württemberg. Anschließend habe ich mit einem unserer Landesverbände telefoniert, um die BLUBS-Sportangebote voranzutreiben, das ist ein Konzept, um inklusive Schüler*innen zu erreichen und ihnen Sportangebote näherzubringen.
Benedikt Staubitzer: Cool, das klingt gut.
Wienands: Ja, das betrifft dich natürlich auch Staubi, ich kann da gerne noch etwas mehr zu erzählen. (beide beginnen direkt, zu fachsimpeln und sprechen über gemeinsame Projekte sowie kommende TalentTage)

Also gibt es auch direkte Überschneidungen in euren Aufgabenfeldern?

Staubitzer: Genau, da gibt es einige.
Wienands: Das ist ja der Vorteil bei unseren beiden Stellen. Meine Zielgruppe sind die sehbehinderten und blinden Menschen und Staubi kümmert sich um die drei Schneesportarten. Und genau da ist unsere große Schnittmenge, nämlich bei den sehbehinderten und blinden Athlet*innen, die im Wintersport unterwegs sind. Wir haben auch schon gemeinsame Projekte erfolgreich umgesetzt und wollen die Kooperationen gerne weiter ausbauen.

Und bei dir Staubi, welche Dinge hast du schon auf deiner To-Do-Liste abgehakt?

Staubitzer: Bislang habe ich viel im Auto gesessen, aber die Zeit konnte ich gut nutzen, um mit Ralf Rombach, dem Bundestrainer Para Ski nordisch, zu telefonieren. Wir planen zusammen mit dem Landesverband einen Aktionstag in NRW. Darin soll ein Showtraining integriert werden und auch die Presse hat sich bereits angemeldet.  Des Weiteren habe ich mit dem Landesverband in Bayern gesprochen, hier ging es um die Entwicklung von Strukturen für Nachwuchsathlet*innen vom ersten Schneekontakt bis in den Bundeskader. Außerdem hatte ich einen Austausch mit Katja Kliewer, der Vorsitzenden der Deutschen Behindertensportjugend, bezüglich weiterer TalentTage. Und jetzt geht es noch zu einem Gespräch mit meinem Chef in Herzogenaurach.

Das klingt nach einem vollen Arbeitstag. Wie hat euch der Weg denn zum DBS geführt?

Staubitzer: Ich bin im Frühjahr 2021 zum DBS gekommen, bis vor drei Jahren war ich selbst Profisportler im Ski alpin, bin Weltcup und Europacup im Riesenslalom gefahren und kam dann im Anschluss über Umwege zur Nachwuchsmannschaft Para Ski alpin als Guide für die Athlet*innen mit Sehbehinderung. Das hat mir total viel Spaß gemacht, wir waren sehr viel Skifahren und ich habe einen Einblick in die Strukturen im Behindertensport bekommen. Als ich die Ausschreibung für die Stelle als Projektkoordinator für Para Schneesport gesehen habe, fand ich das Aufgabenfeld direkt spannend und habe mich darauf beworben – und glücklicherweise hat das geklappt.
Wienands: Ich habe an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert, bin dann durch eine genetische Erkrankung 2013 selbst erblindet. Dadurch und durch verschiedene Praktika habe ich immer mehr Berührungspunkte zum Para Sport bekommen. Bei den Paralympischen Spielen 2016 in Rio durfte ich über ein Projekt als Journalist mitreisen und habe vor Ort berichtet. Das war eine so tolle und prägende Zeit, dass ich das unbedingt weiter machen wollte und mit dafür sorgen wollte und immer noch will, den Para Sport in Deutschland voranzutreiben. Nach meinem Masterstudium und einem Praktikum beim DBS habe ich mich dann auf die Stelle beworben. Da habe ich mir gedacht: „Das passt wie die Faust auf’s Auge“. Und im Sommer 2021 habe ich angefangen.

Um es zu konkretisieren: Was sind eure wichtigsten Aufgabenfelder und Themen?

Staubitzer: Mein Hauptaufgabenbereich ist die Strukturentwicklung im Para Schneesport, den Weg zu ebnen vom ersten Schneekontakt bis hin zum großen Ziel, den Paralympics. Dabei wollen wir mehr Sportangebote schaffen, neue Strukturen bilden, bestehende Strukturen ausbauen und viel Aufmerksamkeit generieren. Da ist wohl eine der größten Schnittstellen zwischen Marcel und mir. Auch die Kooperationen mit Landes- und Fachverbänden bezüglich Trainingsmöglichkeiten, Trainerausbildung und Technologieentwicklung haben einen hohen Stellenwert.
Wienands: Staubi arbeitet auf jeden Fall intensiver mit den Sportfachverbänden zusammen als ich. Mein Aufgabenbereich konzentriert sich auf verschiedene Kernpunkte. Zunächst der Strukturausbau in den Mannschaftssportarten wie Goalball und Blindenfußball. Hier haben sehbehinderte und blinde Menschen oft das Problem, dass es nur wenige Vereine deutschlandweit gibt und dadurch oft lange Wege auf sich genommen werden müssen. Darüber hinaus sind die Individualsportarten ein weiterer Schwerpunkt, wie zum Beispiel Para Judo, Para Leichtathletik oder Para Schwimmen, in denen es auch viele Medaillen zu gewinnen gibt. Da ist wiederum das Thema Inklusion in den regulären Vereinen der wichtige Punkt, um die Kinder und Jugendlichen dort unterzubringen, wo sie bestmögliche Bedingungen haben. So geht es auch bei mir um den Weg vom ersten Kontakt mit der Sportart bis hoffentlich zum Leistungssport. Der größte Bereich ist aber die Netzwerkarbeit, also der Austausch mit Blindenschulen, Verbänden oder mit Lehrerteams, die sehbehinderte und blinde Kinder an Regelschulen unterrichten. Diese mehr als 9000 Kinder gilt es zu erreichen, weil sie häufig noch von Sportvereinen ausgegrenzt werden. Des Weiteren ist die Öffentlichkeitsarbeit ein großer Bereich, um den Para Sport bekannter zu machen und Kinder und Jugendliche zu motivieren.

Steht bei diesen Strukturprozessen also vor allem der Nachwuchs im Fokus?

Staubitzer: Auf jeden Fall nimmt die Etablierung von Nachwuchsstrukturen einen großen Teil meiner Arbeit ein, die wir jetzt gemeinsam mit unseren Landesverbänden versuchen aufzubauen.
Wienands: Ja, das kann ich unterstreichen. Ziel ist vorrangig die Etablierung einer systematisierten Talentsuche und -förderung. Wir wollen ein System aufbauen, um Zugang zum Nachwuchs zu bekommen und möchten erreichen, dass die Kinder und Jugendlichen mit Behinderung von unseren Angeboten erfahren.

Was sind weitere Ziele für die Zukunft?

Wienands: Die aktuellen Strukturprozesse stecken noch in den Kinderschuhen, deswegen möchte ich diese Strukturen erst einmal weiter ausbauen und Kooperationen stärken, um auf dieser Basis dann weiterzuarbeiten. Das dauert einfach seine Zeit. Wir wollen aber versuchen, den Nachwuchs breiter aufzustellen und möglichst viele Kinder für den Para Sport zu gewinnen.
Staubitzer: Zu meinen großen Themen zählt aktuell die Organisation und Durchführung der „Family Days“. Aufbauend auf den TalentTagen sind das Wochenenden, bei denen junge ambitionierte Skifahrer*innen ihr skifahrerisches Können verbessern. Geplant sind sechs Wochenenden, eins im Sommer und fünf im Winter. Damit haben wir den Breitensport kanalisiert und können dann Talente schneller entdecken und fördern. Das ist die Grundidee dahinter. Mit Blick auf die Sportart Para Ski nordisch ist ein großes Ziel, die Kooperation mit dem Deutschen Skiverband zu intensivieren. Wichtig wäre das auch hinsichtlich des technischen Know-hows rund um Wachse und Schliffe, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.

Was wünscht ihr euch noch, um eure Projektfelder voranzubringen?

Wienands: Das fängt bei den Vereinen an, die vielleicht noch weiter für den Sport von Menschen mit Behinderung sensibilisiert und unterstützt werden müssen. Auch personell und strukturell müssen wir deutschlandweit deutlich breiter aufgestellt sein. Staubi und ich sind in unseren Bereichen mehr oder weniger Einzelkämpfer. Wir können zwar einiges tun und sicherlich auch etwas bewegen, doch aus meiner Sicht braucht es weitere Mitstreiter*innen auch regional in den Bundesländern. Dafür installieren immer mehr Landesverbände sogenannte Talentscouts.
Staubitzer: Ein erster Schritt muss es sein, dass wir die bestehenden Strukturen bestmöglich nutzen und optimieren, auch durch noch bessere Kommunikation und Vernetzung innerhalb des DBS und der Sport-Strukturen insgesamt. Mittel- bzw. langfristig braucht es dann auch mehr Mittel für hauptamtliches Personal und hauptamtliche Trainer*innen, wobei eine Fokussierung auf einen Pool an ausgewählten Sportarten in den Landesverbänden in meinen Augen sinnvoll ist, so dass es gewissermaßen Schwerpunkte für verschiedenen Sportarten gibt, die dann möglichst professionelle Strukturen bieten. Nur so können wir unsere Ziele erreichen: Einerseits Menschen mit Behinderung, vor allem auch Kinder und Jugendliche, für den Sport begeistern und ihnen dann bestmögliche Strukturen bieten mit der Option, den Sprung vom Breitensport zum Leistungssport zu schaffen.

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