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„Mini-Paralympics“ sieben Wochen vor den Spielen in Peking: Die Para Schneesport-WM im norwegischen Lillehammer mit Weltmeisterschaften im Para Ski alpin, Para Ski Nordisch mit Langlauf und Biathlon sowie Para Snowboard wird für das 30-köpfige deutsche Team eine ganz besondere Premiere vom 13. bis 23. Januar 2022.

750 Athletinnen und Athleten aus über 30 Nationen und zehn Wettkampftage in drei Sportarten – das klingt nach einem vielversprechenden neuen Format, um die paralympischen Wintersportarten nach vorne zu bringen: „Da die Meisterschaften nur kurz vor den Spielen 2022 in Peking stattfinden, sind wir optimistisch, dass die nächste Saison ein Allzeithoch für die Athleten und eine wohlverdiente höhere Aufmerksamkeit für den Para Schneesport im Allgemeinen bringen wird", hatte Ola Keul gesagt, Chef des Organisationskomitees in Lillehammer, nachdem der neue Termin bekanntgegeben worden war.
 
Ursprünglich war die Para Schneesport-WM auf Februar 2021 terminiert, wurde dann aber pandemiebedingt verschoben, sodass sie nun als unmittelbare Paralympics-Generalprobe dient. Die Para Biathlon- und Langlauf-Wettbewerbe finden dabei im Birkebeineren-Skistadion statt, das für die Olympischen und Paralympischen Spiele 1994 erbaut wurde, die Para Ski- und Snowboard-Events werden im 18 Kilometer entfernten Hafjell ausgetragen, das auch 1994 Austragungsort der Spiele war.
 
Das 30-köpfige deutsche Team umfasst dabei acht Athletinnen und Athleten im Para Ski alpin mit drei Guides, elf Athletinnen und Athleten im Para Ski nordisch mit fünf Guides sowie drei Para Snowboarder bei der Premierenveranstaltung. Bekannteste Namen sind die Paralympics-Siegerin im Slalom und in der Super-Kombination von 2018, Anna-Lena Forster, sowie Martin Fleig und Anja Wicker, die 2018 in PyeingChang beziehungsweise 2014 in Sotschi Paralympics-Gold im Biathlon gewinnen konnten.
 
Para Ski alpin: Anna-Lena Forster aussichtsreichste Medaillenkandidatin
 
Das Para Ski alpin-Team von Justus Wolf ist bereits am 3. Januar nach Hafjell gefahren, um sich optimal auf die Rennen vorzubereiten. „Es ist sehr nordisch, kalt und dunkel, da muss man sich drauf einstellen“, sagt der Bundestrainer: „Aber das Training läuft gut, die Bedingungen sind top.“ Anna-Lena Forster, Andrea Rothfuss, Anna-Maria Rieder und Leander Kress, die auch in den Speed-Disziplinen starten werden, sind schon vor Ort. Am Donnerstag steht die Abfahrt auf dem Plan, am Samstag der Super-G, am Sonntag die Super-Kombination. Die technischen Disziplinen Riesenslalom und Slalom sowie das neue Parallel-Event werden dann auch Noemi Ristau mit Paula Brenzel, Luisa Grube mit Luca Traichel, Isabell Thal mit Maximilian Körner sowie Christoph Glötzner in Angriff nehmen.
 
„Anna-Lena ist eine absolute Medaillenkandidatin in allen Disziplinen, da sind die Erwartungen für die WM dementsprechend hoch. Leider sind die Chinesinnen nicht dabei, weil die Ein- und Ausreise zu kompliziert gewesen wäre, sodass wir uns bis zum Tag X gedulden müssen, um ihre Konkurrenz bei den Paralympics zu kennen. Bei der WM ist sicher die Japanerin Momoka Muraoka die größte Rivalin“, sagt Wolf über Monoskifahrerin Forster, die bei den Weltmeisterschaften 2019 Gold im Slalom gewann. Eine „brutale Konkurrenz“ gibt es für Andrea Rothfuss und Anna-Maria Rieder in der stehenden Klasse, in der die beiden Deutschen aber in Schlagdistanz zum Podium sind, wie der Bundestrainer sagt: „Zwischen Podest und Platz sieben ist alles drin. Bei Andrea in den Speed-Disziplinen und im Riesenslalom, bei Anna-Maria eher im technischen Bereich.“
 
Ein „Glückspodest“ könnte auch für die sehbehinderte Noemi Ristau mit Guide Paula Brenzel herausspringen, doch Wolf ist in erster Linie froh, dass Ristau, die nach einem Kreuzbandriss noch im Herbst verletzt war und keine optimale Vorbereitung hatte, überhaupt dabei sein kann: „Das grenzt an ein Wunder und auch die Paralympics scheinen möglich zu sein. Im Speed ist sie nicht so weit, aber ich hoffe, dass sie im Riesenslalom und Slalom mindestens in die Nähe des Treppchens kommen kann. Aber mit einer Medaille zu planen, wäre vermessen.“

Erfahrung sammeln sollen Luisa Grube mit Guide Luca Traichel und Isabell Thal mit Guide Maximilian Körner bei ihrem WM-Debüt, „für sie ist schon die Teilnahme der Erfolg“, sagt Wolf, der sich auch freut, dass mit Christoph Glötzner und Leander Kress in der stehenden Klasse endlich auch wieder männliche Talente zu seinem Team zählen. Da Glötzner im Frühjahr noch Abitur schreibt, wird er erst in der zweiten Woche anreisen, um zuvor zur Schule zu gehen. Wolf stellt den Perspektiv-Athleten ein gutes Zeugnis aus: „Sie haben sich super gut entwickelt und bei den Weltcups gut präsentiert. Für Christoph liegen Top-10-Ergebnisse im technischen Bereich im Rahmen des Möglichen, ansonsten bei beiden Top-15-Platzierungen.“
 
Para Ski nordisch: Martin Fleig und Anja Wicker hoffen auf Biathlon
 
Von einer optimalen Vorbereitung kann Para Ski nordisch-Bundestrainer Ralf Rombach aus verschiedenen Gründen nicht sprechen. Rund die Hälfte der Teams sah sich rund um Weihnachten durch Erkältungen in der Form zurückgeworfen und im abschließenden Trainingslager vor der WM am Bundesstützpunkt am Notschrei hatten milde Temperaturen das Training auf Schnee erschwert. Für viele ist Lillehammer zudem die erste Wettkampfstation einer durch die Corona-Pandemie außergewöhnlichen Saison, zumal der komplette Trainingsplan auf das Ziel Paralympics im März ausgerichtet ist.
 
Für die WM bedeutet das: Rombach erwartet nicht vorrangig Medaillen oder Top-Platzierungen, sondern Entwicklungsschritte von seinen Schützlingen. Sie sollen Selbstvertrauen tanken, in dem sie das in die Loipe bringen, was sie selbst unmittelbar in der Hand haben. Wofür die erhofften Bestleistungen reichen können? „Das wird man sehen“, sagt der Bundestrainer. „Fakt ist: Die Starterfelder werden immer dichter, die Spitze immer enger.“ Beim Europacup im Dezember im finnischen Vuokatti etwa sorgten mehrere chinesische Sportlerinnen und Sportler für Furore, die bislang kaum in Erscheinung getreten waren.
 
In Abwesenheit der krankheits- bzw. verletzungsbedingt ausfallenden Andrea Eskau und Clara Klug sind Anja Wicker und Martin Fleig im Para Biathlon die aussichtsreichsten deutschen Medaillenkandidaten – sofern es ihnen gelingt, die Müdigkeit nach harten Trainingswochen abzustreifen. „Ich weiß, dass die Wettkampfstärke irgendwo in mir ist. Ich muss sie nur finden“, sagt Anja Wicker. Neben den Paralympics-erfahrenen Alexander Ehler, Nico Messinger mit Guide Robin Wunderle und Vivian Hösch mit Guide Florian Grimm wird es für das junge deutsche Team vor allem auch darum gehen, Erfahrungen zu sammeln. Johanna Recktenwald mit Guide Valentin Haag und Marco Maier waren zwar 2019 schon bei der WM dabei, aber Linn Kazmaier mit Florian Baumann, Leonie Walter mit Pirmin Strecker und Merle Menje, die im Sommer als Rennrollstuhlfahrerin bei den Paralympics in Tokio startete, werden wie der ehemalige Para Kanute Patrik Fogarasi allesamt ihr WM-Debüt auf Schnee geben.
 
Nach der Langlauf-Mitteldistanz am Donnerstag wartet am Samstag und Sonntag die Biathlon-Kurz- beziehungsweise Mitteldistanz. Am Dienstag, 18. Januar, ist dann die Langdistanz im Langlauf und am Donnerstag, 20. Januar, die Biathlon-Langdistanz auf dem Programm, bevor am abschließenden Wochenende noch die Sprint- und Staffel-Entscheidungen warten. Und wer weiß: Wenn alles optimal klappt, könnte auch die deutsche Mixed-Staffel wie in PyeongChang mit Bronze überraschen.
 
Para Snowboard-Debütanten: „Freuen uns alle riesig“
 
Die erste internationale Meisterschaft überhaupt wird es für die drei deutschen Para Snowboarder sein, die bisher alle insgesamt nur vier Weltcups bestritten haben. „Es hat dreieinhalb Jahre gedauert, bis etwas passiert, aber jetzt geht es in die richtige Richtung“, sagt Cheftrainer André Stötzer über die Sportart, die 2014 in Sotschi Paralympics-Premiere feierte. Damals gab es einen deutschen Athleten, 2018 in Südkorea keinen. Nun sollen es in Peking drei sein, wenn es nach Stötzer geht. Der Nominierungskommission des DBS wird er jedenfalls drei Namen vorschlagen: Matthias Keller, Manuel Ness und Christian Schmiedt.
 
Am Dienstag reist das Team nach Hafjell, um sich auf den Banked-Slalom-Wettbewerb am Freitag sowie das Cross-Rennen am 21. Januar vorzubereiten. Während Keller nur im Banked Slalom dabei sein wird und danach berufsbedingt zurück nach Deutschland muss, sind Ness und Schmiedt in beiden Disziplinen am Start. „Das ist erst die dritte Saison für die Jungs, die Pandemie hat uns insofern geholfen, dass wir in Material investieren konnten und die Athleten jetzt neue Prothesenfüße haben. Da konnten wir technisch viel rausholen, wenngleich wir noch eine junge Sportart sind und sich die Strukturen erst entwickeln müssen“, sagt Stötzer: „Die Konkurrenz ist riesig. Für Christian Schmiedt erhoffe ich mir eine Top-5-Platzierung, für die beiden anderen Top 10. Mit ein bisschen Glück ist das möglich.“
 
Stötzers Hoffnung ist, in Sachen Nachwuchsarbeit langfristig besser aufgestellt zu sein. Die neue Kooperation mit Snowboard Germany und den Landesverbänden könnte dafür eine Chance bieten – ebenso wie eine erfolgreiche Weltmeisterschaft in Norwegen: „Wir waren alle noch nie bei einer WM, das wird also eine Premiere. Daher freuen wir uns alle riesig.“

Quelle: Nico Feißt & Ben Schieler

 
Kader Para Ski alpin:
Noemi Ristau (30, Großostheim, SSG Blista Marburg), Paula Brenzel (22, Bad Hersfeld, Ski Gemeinschaft Kreis Rotenburg), Andrea Rothfuss (32, Freudenstadt, VSG Mitteltal), Anna-Lena Forster (26, Singen, BRSV Radolfzell), Anna-Maria Rieder (21, Garmisch-Partenkirchen, RSV Murnau), Christoph Glötzner (18, Neumarkt in der Oberpfalz, RBA im ASV 1860 Neumarkt), Leander Kress (20, Friedberg, TSV Friedberg), Luisa Grube (20, Göttingen, SSG Blista Marburg), Luca Traichel (16, München, SC Garmisch), Isabell Thal (22, TSV Kareth-Lappersdorf), Maximilian Körner (30, Garmisch-Partenkirchen, SC Partenkirchen).
 
Kader Para Ski nordisch:
Alexander Ehler (52, Leninogorsk (Kasachstan), SV Kirchzarten), Martin Fleig (32, Freiburg, Ring der Körperbehinderten Freiburg), Patrik Fogarasi (46, Dresden, SV Kirchzarten & WSC Oberwiesenthal), Florian Grimm (37, Kempten, SSV Niedersonthofen), Valentin Haag (21, Kirchzarten, SV Kirchzarten), Vivian Hösch (30, Freiburg, Ring der Körperbehinderten Freiburg), Marco Maier (22, Oberstdorf, SK Nesselwang), Merle Menje (17, Mainz, StTV Singen), Nico Messinger (27, Freiburg, Ring der Körperbehinderten Freiburg), Johanna Recktenwald (20, St. Wendel, Biathlon Team Saarland), Pirmin Strecker (19, Kirchzarten, SV Kirchzarten), Leonie Walter (17, Freiburg, SC St. Peter), Anja Wicker (30, Stuttgart, MTV Stuttgart), Robin Wunderle (23, Freiburg, SC Todtnau), Linn Kazmaier (15, Oberlenningen, SZ Römerstein), Florian Baumann (20, Beuren, SZ Uhingen).
 
Kader Para Snowboard:
Christian Schmiedt (32, Backnang, SV Germering), Matthias Keller (40, Sigmaringen), Manuel Ness (31, Ochsenhausen, SV Germering).

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